Mord im Watt by Franke

Mord im Watt by Franke

Autor:Franke
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2014-04-14T16:00:00+00:00


Freitag

Mit einem mehr als flauen Gefühl schloss Wiebke am nächsten Vormittag die Tür zu Tills Wohnung auf. Zwar hatte Ina ihr angeboten, sie zu begleiten, aber Wiebke meinte, Ina solle lieber zu ihren Eltern und Merle gehen und sich um die Lütte kümmern. Es war eine lange Nacht geworden, sie hatten kein Ende finden können beim Erzählen von Anekdoten, von Lustigem, aber auch von Traurigem. Und nicht so Schönem. In dieser Nacht hatte Wiebke von Ina Dinge über Till erfahren, die sie nie für möglich gehalten hätte. Sie hatte ihren Bruder offensichtlich doch nicht so genau gekannt, wie sie dachte. Es war das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass sie diesbezüglich überrascht wurde. Denn einiges, was Ina über Till erzählte, war Wiebke in dieser Ausprägung gänzlich fremd. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass es für Ina eine Erleichterung war, das alles loswerden zu können. Aber Inas Offenheit brachte in Wiebke manche Gedankenräder zum Laufen. Sie musste das erst einmal sacken lassen.

Vorsichtig, als betrete sie ein Minenfeld, öffnete sie die Tür. Es roch muffig. So als sei der Bewohner schon seit Langem nicht mehr hier gewesen, als sei seit Wochen kein Hauch Nordseeluft in diese Räume gedrungen. Dabei hatten die von der Polizei doch sicherlich die Fenster geöffnet. Zumindest hatte Christine ihr erzählt, dass das Usus war. Nicht das Lüften, logisch, sondern dass die Polizei in solchen Fällen in die Wohnung ging.

Langsam ging Wiebke weiter, stellte ihre Reisetasche im Flur ab und warf einen Blick in die Küche. Natürlich war keiner da, die Stille war ja fast hörbar, aber der Anblick der benutzten Tasse in der Spüle versetzte ihr einen Stich. Sie räusperte sich, bevor sie weiterging. Im Wohnzimmer sah alles aus wie immer. Na ja. Nicht wie immer, zumindest nicht wie in den Zeiten, als Ina und Merle hier noch wohnten, aber auch danach hatte Wiebke ihren Bruder besucht und über die Lücken im Mobiliar hinweggesehen. Jetzt jedoch fiel ihr eine weitere Lücke auf: Tills PC war weg. Und der Papierkorb unter der weißen Schreibtischplatte am Fenster, der immer bis an den Rand gefüllt war, war leer. Ob das die Polizei gewesen war? Durften die einfach so Dinge mitnehmen?

Bis zu diesem Moment hatte Wiebke sich einreden können, alles sei normal. Als sei sie, wie so oft in der Zeit nach Inas Auszug, auf eine Stippvisite nach Wilhelmshaven gekommen, als wäre Till noch bei der Arbeit und als würde sie beim Edeka-Markt um die Ecke einkaufen und etwas Leckeres für sich und ihn zum Abendessen zubereiten.

Doch die PC-Lücke machte ihr unmissverständlich klar: Das war keine ihrer Stippvisiten. Sie stand mitten in einer Wohnung, die Till nie mehr betreten würde. Mit einem Gefühl, als krampfe sich ihr der Magen zusammen, ging sie zurück und ließ sich auf einen Stuhl am Küchentisch fallen.

Durch die offene Küchentür starrte sie ihre Reisetasche an. Sollte sie die ins Gästezimmer bringen? Oder doch Inas Angebot annehmen, bei ihr im Wohnzimmer auf der Couch zu schlafen? Notfalls dürfte sie in Merles Bett schlafen, dann würde Ina Merle mit zu sich ins Bett nehmen, aber Wiebke hatte das abgelehnt.



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